Zuerst muss man wissen, dass Marx einmal erklärte, kein Marxist zu sein. Insofern ist jedem -ismus mit Zweifel zu begegnen. Ein Wahlspruch von Marx lautete auch direkt: „An allem ist zu zweifeln!“. Damit steht der Marxismus als Lehre in direktem Gegensatz zu seinem Namenspatron. Und tatsächlich: Niemals hätte Marx sich an den Verbrechen beteiligt, die in seinem Namen von Lenin, Stalin, Mao Zedong, den Roten Khmer oder ähnlichen Leuten begangen oder angeordnet wurden. Der Begriff Marxismus ist also höchst suspekt – wegen des historischen Missbrauchs von Marxens Namen.
Besser hat es Friedrich Engels getroffen, der von Sozialismus sprach. In seinem Werk Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft stellt er seinen Freund und Mitstreiter als das dar, was er wirklich gewesen ist: Als eInen Wissenschaftler. Und das ist Marx bis heute geblieben. Sein Werk gibt bis heute Aufschluss über die speziellen Bewegungsgesetze in Gesellschaft und Ökonomie, während Engels hauptsächlich jene in Natur und Gesellschaft untersuchte (Dialektik der Natur).
Besorgnis erregend ist freilich bis heute auch die überwiegende Ignoranz der heutigen linken, kommunistischen und Arbeiterparteien gegenüber den wissenschaftlichen Leistungen ihrer beiden ersten großen Theoretiker. Jede Abweichung von der Wissenschaftlichkeit begründen sie mit „neuen, geänderten Bedingungen“, während konservative bürgerliche Ökonomen aktuell massenhaft Marxens politische Ökonomie studieren, weil dort nicht nur die Entstehung und der Aufstieg sondern auch das zwangsläufige Ende der Dominanz kapitalistischer Reproduktion der menschlichen Gesellschaft erklärt wird.
Dominanz – jawohl. Denn Kapitalismus wird bereits im christlichen Neuen Testament beschrieben. Im zweimal erzählten Gleichnis von den anvertrauten Talenten wird klar der Auftrag zur Profitmaximierung erteilt und für gottgefällig erklärt.Aber eine Weltwirtschaft dominiert dieser Auftrag, aus Geld mehr Geld zu machen, erst seit der technologischen Entwicklung der Massenproduktion von Waren (nicht Gütern!).in Manufakturen, Fabriken und Konzernen. Marx war es, der endgültig den reinen Warencharakter der Arbeitim Kapitalismus aufdeckte, den die klassischen Nationalökonomen nur schemenhaft erkannten. Ich werde mich also hüten, mich einen Marxisten zu nennen. Aus Respekt vor Marxens bis dato unsterblichen (bisher nicht überholter!) ökonomischen Theorie im Verein mit der Methode der Dialektik, hauptsächlich publiziert durch Friedrich Engels.
Die erste Anwendung des Begriffes „Marxismus“ erfolgte auf des Basis des „Manifest Kommunistischen Partei“ von 1848, an dem selbst Marx und Engels im Jahre 1872 gemäß ihrem neuen Vorwort wegen ausgemachter Historizität nichts mehr zu ändern sich berechtigt fühlten, obwohl sich schon vieles weiter entwickelt hatte. Und zu den bis dahin zusammengefunden „Marxisten“ wollte Marx selbst offensichtlich nicht unmittelbar gehören – und war deswegen ausdrücklich kein „Marxist“. Er war 1872 mit seinen Gedanken nicht mehr bei 1848 sondern in der Zukunft – wie er 1875 in seiner „Kritik des Gothaer Programms“ zeigte. In dieser Schrift wies er der Deutschen Sozialdemokratie einen möglichen, ökonomisch begründeten (!) Weg in einen brauchbaren, menschlichen Kommunismus.
So vergeht die Zeit. Aber die Sozialdemokratie war bereits 1875 zu tief im kleinbürgerlichen Parteienbetrieb versumpft, als dass sie noch Kritik ernst genommen hätte. Sie war doch auf dem 1848 von Marx gewiesenen Wege. Was sollte ihr dieser nunmehr alte Mann 1875 (s. Foto) noch groß Neues erzählen können. Und außerdem waren sie ja schon hinreichend erklärte Marxisten. Immer diese neumodischen Änderungen …
Zum Teufel damit!