Diese Frage wurde mir unlängst auf Quora estellt, wo ich sie auch am 8. März 2021 beantwortet habe:
Zu Band II habe ich momentan keine konkreten Aussagen parat. Aber Band III ist dringend notwendig zu lesen und zu durchdenken.

In Band III hat Friedrich Engels die nachgelassenen Schriften seines Freundes Marx redigiert und veröffentlicht. Der hohe Wert diese späten Marx-Schriften beruht im Wesentlichen auf zwei Faktoren:
Objektiv hat der Kapitalismus sich fortentwickelt
von den frühesten Aufzeichnungen, die auch für Marx bereits Geschichte waren bis zu seinem Tode. Und er hat fortwährend beobachtet und analysiert. „Talent ist hauptsächlich Interesse.“— sagt Brecht. Und Marx war ungeheuer interessiert daran, die eigenen Studien und Beobachtungen zu soliden Hypothesen zu formen und anhand der Praxis zu überprüfen. Selbst in vielen wesentlichen Voraussagen hat Marx Recht behalten. Nicht umsonst studieren gegenwärtig die ernstzunehmenden — und durchaus kapitalfreundlichen — „Wirtschaftsweisen“ gerade diesen Band III, um Schlupflöcher aus der sich dem Ende zuneigenden allgemeinen Krise des Kapitalismus zu finden. Denn es passiert gerade genau das, was Marx vorausgesagt hat: Die eigentlichen Totengräber des Kapitalismus werden die größten Kapitalisten selbst sein. Und da dies gerade vor unser aller Augen geschieht, wäre es von elementarer Wichtigkeit, wenn jene, die sich „Antikapitalisten“ nennen, diesen Band III intensiv studierten. Aber dies geschieht in aller Regel nicht.
Wie die „Antifeudalisten“ im Deutschen Bauernkrieg sehnsüchtig zurück schauten auf die – imaginäre – Zeit, „als Adam grub und Eva spann (wo war denn da der Edelmann?)“, so schauen verträumte wie stoische Linke zurück auf die „schönen Zeiten“ des sowjetischen und DDR-Sozialismus. Nach vorne zu schauen, auf eine nach-kapitalistische Zeit wie sie Marx 1875 nur ganz vage in der „Kritik des Gothaer Programms“ beschrieb, mangelt es den meisten Linken an Phantasie. Den dogmatischen sowieso und den autoritären aus Mangel an einem starken Führer, der ihnen den Weg weist. Ich behaupte nicht, den ganzen Band III schon komplett gelesen und verstanden zu haben. Aber das, was ich weiß, führt mich zu meinen bis hier genannten Schlussfolgerungen.
Subjektiv ist der reifere Marx in seinen späten Jahren natürlich kenntnisreicher und mit dem praktischen Kapitalismus vertrauter gewesen denn je zuvor.
Bereits in einem späteren Vorwort zu einer Neuausgabe des „Manifest der kommunistischen Partei“ macht er darauf aufmerksam, dass diese dreiundzwanzig Seiten Text eigentlich einer aktualisierenden Überarbeitung bedürften, er sich mit Engels jedoch einig sei, an diesem „historischen“ Dokument nichts mehr „verbessern“ zu wollen. Das „Manifest“ hatte in der Arbeiterbewegung bereits den Status einer „heiligen“ Schrift erworben und Marx wollte neue Erkenntnisse nicht in alte Texte zwängen. Darum schrieb er, was immer zu schreiben war, für den Band III, dessen Fertigstellung und Veröffentlichung er jedoch nicht mehr erlebte. Engels ist es zu danken, dass dieser Band so geordnet und überschaubar ausgefallen ist. In den fast dreißig Jahren zwischen dem Erscheinen des ersten und des dritten Bandes hat sich am Kapitalismus im Detail so vieles verändert und entwickelt, dass der Band III in Teilen den Band I zwar nicht widerlegt, jedoch im dialektischen Sinne aufhebt. So, wie die Sicht auf den Kapitalismus fortwährend „aufgehoben“ (im doppelten Sinne) wird.
Marx alleine schon als Subjekt macht den Band III lesenswert. Und wenn sich das dann auf’s Objektive auswirkt, dann hat Marx schon wieder gewonnen. Und keine/r(?) hat’s gemerkt.